Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers by Lian Hearn

Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers by Lian Hearn

Autor:Lian Hearn [Hearn, Lian]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Carlsen Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


KAPITEL 31

Die Narben, die die Krallen in seinem Gesicht geschlagen hatten, waren fast verblasst, als Takeo gegen Ende des dritten Monats nach Hagi zurückkehrte. Der Schnee war noch längst nicht geschmolzen, der Winter lang und hart gewesen. Da die Pässe zwischen den Städten der Drei Länder versperrt waren, hatte er nicht einmal Briefe bekommen und er hatte sehr große Angst um Kaede gehabt. Er war froh, dass Ishida während ihrer Schwangerschaft bei ihr war, bedauerte jedoch die Abwesenheit des Arztes, als seine alten Wunden in der bitteren Kälte wieder zu schmerzen begannen, und der lindernde Trank war rasch alle. Die langen Stunden seines erzwungenen Aufenthaltes hatte er hauptsächlich mit Miyoshi Kahei verbracht, mit dem er die Strategie für den nächsten Frühling und den Besuch in der Hauptstadt erörtert hatte und die Verwaltungsakten der Drei Länder durchgegangen war. Beides hob seine Laune. Er hatte das Gefühl, gut auf den Besuch vorbereitet zu sein, egal, was passieren mochte. Er reiste in friedlicher Absicht, würde sein Land aber nicht schutzlos zurücklassen. Und die Verwaltungsakten führten ihm wieder einmal vor Augen, wie stark das Land war, bis hinab zu den Dörfern mit ihrem System der von den Bauern gewählten Ältesten und Obmänner, das jederzeit zur Selbstverteidigung und zur Verteidigung des Landes mobilisiert werden konnte.

Das Frühlingswetter, die Aussicht auf die Heimkehr und die Freude am Ritt durch die erwachende Landschaft steigerten dieses Wohlgefühl noch weiter. Tenba hatte den Winter gut überstanden und kaum Gewicht oder Ausdauer eingebüßt. Die Stallburschen, die ihn genauso schätzten wie Takeo, hatten sein Winterfell ausgebürstet und sein schwarzer Körper glänzte wie Lack. Seine Freude, wieder auf der Straße und zum Ort seiner Geburt unterwegs zu sein, ließ ihn tänzeln und trippeln, er blähte die Nüstern, und Mähne und Schweif flatterten im Wind.

»Aber was ist mit deinem Gesicht passiert?«, fragte Kaede, als sie allein waren, und fuhr mit den Fingern über die blassen Narben.

Takeo war am Vormittag eingetroffen. Die Luft war noch kühl, der Wind frisch. Die Straßen waren matschig und oft überflutet gewesen. Er hatte sich sofort zum alten Haus begeben, wo er freudig von Chiyo und Haruka begrüßt worden war, hatte dann gebadet und mit Kaede, Ishida und den Jungen gegessen. Nun saß er mit Kaede im oberen Zimmer. Die Fensterläden waren offen, sie hörten das Rauschen des Flusses und alles roch nach Frühling.

Kann ich ihr das erzählen? Er sah sie besorgt an. Sie stand kurz vor der Geburt, die nur noch drei oder vier Wochen hin war. Er erinnerte sich an Shigekos Worte: Du musst es Mutter erzählen. Du darfst keine Geheimnisse vor ihr haben. Erzähl ihr alles.

Er sagte: »Ich bin gegen einen Ast geritten. Halb so wild.«

»Es sieht aus, als hätte dich ein Tier gekratzt. Wahrscheinlich hast du dich in Yamagata einsam gefühlt und dir eine leidenschaftliche Frau gesucht!« Sie neckte ihn vor Freude, ihn wieder bei sich zu Hause zu haben.

»Nein«, erwiderte er ernster. »Ich habe es dir schon oft gesagt: Ich werde niemals mit einer anderen Frau schlafen als mit dir.«

»Für dein ganzes Leben?«

»Für mein ganzes Leben.



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